Die Schlacht bei Lübeck

Nach der für die Preußen vernichtenden Doppelschlacht bei Jena und Auerstädt am 14. Oktober 1806 sammelte General Blücher die versprengten Truppen und plante mit seinem neu ernannten Stabschef Scharnhorst die französischen Truppen auf sich zu ziehen um damit Preußen die Möglichkeit zu geben,  neue Truppen aufzustellen. Tatsächlich nahmen drei Armeekorps unter Marschall Bernadotte (1. Armeekorps),  Marschall Soult (4. Armeekorps) und später Marschall Murat mit seiner Kavalleriereserve die Verfolgung auf.  Am 1. November traf Bernadotte und Soult mit ihren Armeekorps zusammen und marschierten gen Norden.

Obwohl so gut wie keine Verpflegung für die preußischen Truppen vorhanden war, gelang es Blücher innerhalb von 20 Tagen 700 km zurückzulegen und somit sich der drohenden Umklammerung durch die Franzosen zu entziehen.  Aber die Verluste waren entsetzlich. Viele Soldaten starben vor Erschöpfung und Hunger. Anfänglich war Blüchers kleine Streitmacht knapp 10.000 Mann stark.  Durch die Vereinigung mit den zurückgehenden Truppen des Herzogs von Weimar am Ostufer der Müritz stieg die Zahl der Armee auf 21.000 Mann an.

Die Schlacht bei Lübeck Marschall Bernadotte Die Schlacht bei Lübeck Marschall Soult Die Schlacht bei Lübeck Marschall Murat

Marschall Bernadotte,  welcher als Erster wieder mit den Preußen in Berührung kam,  forderte zweimal zur ehrenvollen Kapitulation auf,  welche Blücher jedoch ablehnte. Zwar erlitt am 3. November die 2. Infanteriedivision unter Rivaud (1. Armeekorps Bernadotte) bei Grivitz eine Schlappe.  Doch in der Nacht mußte sich das 1 .Bataillon des Infanterieregiments von Armin geschlagen geben.  Letzten Endes kostete den Preußen die tagelangen Kämpfe an die 5.000 Mann.

Bei Schwerin kam es zur Vereinigung mit Marschall Murat.  Am 5. November holte die 1. Infanteriedivision Duponts (1. Armeekorps Bernadotte) den preußischen Bagagetrain ein.  Am selben Tage erreichte Blüchers völlig erschöpfte Armee Lübeck und brach mit Äxten die verschlossenen Tore auf. Die freie Hansestadt Lübeck hatte sich nämlich für neutral erklärt und wollte keine der beiden Seiten dienen.  Schnell versuchten die Preußen die Verteidigung der Stadt zu organisieren. Da aber durch den Reichsdeputationshauptschluss von 1803 Lübeck begonnen hatte, die Befestigungswälle zu schleifen,  ließ sich die Stadt nur provisorisch verteidigungsbereit machen. Blücher entschloss sich somit,  seine Einheiten vor den drei der Stadttore – Burgtor, Hüxtertor und Mühlentor – zu positionieren.

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Zeitgenössische Karte über die Schlacht von Lübeck am 6. November 1806. Quelle: http://gneisenau.ucoz.de/index/schlacht_bei_lubeck/0-174

Die eher schwachen Tore waren am meisten gefährdet, während die weitaus stärkeren Befestigungen des Holstentores keinen Anlass zur Besorgnis gaben.  Die Lage Lübecks,  dass auf allen Seiten von Wasserläufen umgeben ist, begünstigte zudem den Verteidiger.  Es war Blüchers Plan, den Kampf besonders an den drei Toren zu führen.Die Schlacht bei Lübeck Armeekorps auf dem Burgfel

Am Morgen des 6. November erreichten die Franzosen die Vorstädte Lübecks. Mit einer Stärke von 53.000 Mann,  nun unter der Gesamtführung von Marschall Soult,  griffen sie die Stadt von Osten her an.  Bernadotte führte den Angriff auf das nördliche Burgtor und auf das östliche Hüxtertor.  Soult selber griff von Süden her das Mühlentor an.

Die Schlacht bei Lübeck - Vor dem Burgtor

Die Schlacht bei Lübeck Das umkämpfte_BurgtorDie Schlacht bei Lübeck Vor den Toren LuebecksDer Schwerpunkt der Kämpfe lag auf dem Burgfeld vor dem Burgtor,  wo Marschall Bernadotte dem Herzog von Braunschweig-Oels mit seiner Brigade gegenüberstand .  Der Herzog hatte,  entgegen den ausdrücklichen Befehlen Blüchers und Scharnhorsts,  seine Infanterie zum Schutz der Artilleriestellung auf einen Festungswall positioniert, obwohl dieser Wall bereits durch einen Flusslauf geschützt und für den Angreifer nicht erreichbar war.  Das Burgtor und die zugehörigen Festungsanlagen waren hingegen nahezu ungeschützt. Hinzu kam, dass ein komplettes preußisches Bataillon auf dem Burgfeld stand und dadurch die eigenen Artillerie am Feuern hinderte. Marschall Bernadotte erkannte die Fehler des Herzogs und konzentrierte das Kampfgeschehen auf das Burgfeld. Sofort beginnen die Franzosen mit heftigen Angriffen. Schon bei Beginn geraten Scharnhorst und Müffling in Gefangenschaft.

Zu erbitterten Kämpfen kommt es vor allem an den Stadttoren. Vornehmlich am Burgtor im Norden der Stadt und am Mühlentor im Südosten wird von beiden Seiten mit grösstem Einsatz gefochten. Das Burgtor mit dem Kirchplatz wurde von der Brigade Braunschweig-Öls und zwei weiteren Regimentern verteidigt. Blücher wies den Herzog an,  die Franzosen auf keinen Fall durch das Burgtor in die Stadt vordringen zu lassen. Zwei Stunden lang können die Franzosen kaum Fortschritte erzielen.  Die preussische Artillerie verursacht beträchtliche Verluste in ihren Reihen. Der verloren gegangene Kirchhof wird von den Preussen zurückerobert.

Original-Uniformrock der 8ème de Ligne um 1806. Dieser Rock wurde zur Zeit des Feldzuges von 1806/1807 getragen (Musée de l ´Armée).

Doch am Mühlentor sind die Franzosen erfolgreicher. Von hier dringen sie zum Markplatz vor, wo es zum erbitterten Handgemenge kommt. Blücher und Yorck gelingt es nochmals, die Franzosen zurückzudrängen. Die Entscheidung fällt, als 8. französische Linienregiment durch das Hüxtertor drängt und die Preussen in der Flanke attackiert. Yorck sinkt schwerverletzt zusammen.

Bei den Kämpfen auf dem Burgfeld, den  Angriff auf das Burg- und Hüxtertor zeichnete sich das 8. Regiment de Ligne aus (Sergent Aymard  erbeutete im erbitterten Nahkampf eine preußische Fahne).  Allerdings hatte es auch Verluste hinnehmen müssen.  Die Offiziersverluste wurden für dieses Regiment allein mit 13 (nach Martinien) offiziell beziffert.  Als kurz nach 12.00 Uhr der Befehl zum Rückzug zum übrig gebliebenen Holstentor kam, entstand eine ungeordnete Flucht daraus.  Zusammen mit den flüchtenden Preußen drangen die ersten Franzosen nun auch durch das Burgtor in die Stadt ein.  Zugleich gelang es korsischen Chasseurs unbemerkt durch einen unbefestigten Abschnitt abseits des Burgtors überraschend in die Stadt zu gelangen.

Bei den  drei unten stehenden Gemäldeausschnitten  (Es handelt sich um ein  88 x 143 cm großes Ölgemälde, welches aus der Hand eines unbekannten Künstlers stammt. Es zeigt den entscheidenden Kampf vor dem zentral gezeigten Burgtor und besticht durch zahlreiche Details in der Uniformierung und Ausrüstung von preußischen und französischen Truppen. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass der Künstler die dargestellten Truppen gesehen hat.  Besitzer dieses Ölgemäldes sind die Lübecker Museen). Das  Ölgemälde können Sie sich gern hier anschauen: Napoleon Online Portal zur Epoche 1792-1815

Die 8ème vor dem Burgtor 1
Die 8ème vor dem Burgtor 1 – Auf diesem Ausschnitt des Gemäldes ist ein französisches Linienregiment abgebildet. Vermutlich handelt es sich hier um das 8ème Regiment de ligne, welches das Burgtor mehrfach angegriffen hat.
Die 8ème vor dem Burgtor
Die 8ème vor dem Burgtor 2 – In diesem Ausschnitt des Gemäldes von , der sich an das links stehende 8. Infanterieregiment anschließt, wird eine Stabsgruppe um den kommandierenden Marschall Bernadotte gezeigt. Er befiehlt mit erhobenem Degen den Angriff auf das Burgtor Lübecks, umringt von einem Adjutanten und einem berittenen Offizier der Linieninfanterie. Vor Bernadotte steht ein Grenadier, der mit seinen roten Aufschlägen und Kragen bei weißen Schoßumschlägen nicht genau zu identifizieren ist.
Die 8ème vor dem Burgtor 3 – Auf diesem Ausschnitt ist die zentrale Gruppe der in vorderster Linie kämpfenden Franzosen zu erkennen. Hier werden die schweren Kämpfe um das Burgtor deutlich. Hinter den kämpfenden Infanteristen befindet sich ein berittener Offizier, der wahrscheinlich vom Stabe Bernadottes ist. Im Hintergrund ist französische Artillerie zu sehen.

In der Innenstadt kam es zu weiteren Straßenkämpfen.  In der Großen Burgstraße und am Koberg waren die Kämpfe besonders heftig.  Die Franzosen hatten nun alle Tore bis auf das Holstentor eingenommen und konnten teilweise den  preussischen Besatzern in den Rücken fallen.

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Kampf um Lübeck. Quelle: Heft 36 – Lübeck 6. November 1806, Edition König und Vaterland, Autor Frank Bauer

Der spätere Bataillonschef der 8ème Vigo-Roussillon (während des Feldzuges noch Capitaine der 32ème de Ligne) war Augenzeuge der furchtbaren Straßenkämpfe um die Innenstadt von Lübeck.  In seinen späteren verfassten Memoiren hatte er Folgendes festgehalten:

„Die Soldaten kämpften in den Straßen,  die mit Leichen übersät waren.  Ich hatte noch nie solch´ ein Gemetzel gesehen. Männer und Pferde wurden getötet, Kanonen und Kutschen wurden umgeworfen.  Das Straßenpflaster war mit Blut bedeckt und überall lagen Körperteile. Es gelten überall  die Schreie der unglücklichen Bewohner der Stadt,  gepaart mit den Wutschreien unserer Soldaten,  die nicht wissen konnten, dass Lübeck eine freie Stadt war.  Das war ein furchtbares Bild. Diese schöne Handelsstadt wurde nun in ein schreckliches Schlachtfeld verwandelt und was für ein Schlachtfeld!“ (Quelle: http://www.1789-1815.com/lubeck_1806.htm)

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Schwere Kämpfe in der Innenstadt. Quelle: https://fr.wikipedia.org/wiki/Bataille_de_L%C3%BCbeck
Einnahme von Lübeck. Nach Kampf mit den preußischen Truppen unter Blücher wird Lübeck von den Franzosen erstürmt (Radierung, altkoloriert, anonym, zeitgenössisch, Paris (Basset) , Paris, Bibliothèque Nationale.

Eine kleine Randnotiz:  Aus dem Archiv der Vereinigung Geschichte des 1. Kaiserreichs (Quelle: www.memorial-deces-soldats-empire.org) wurde der Soldat Nicolas Lefort von der 8ème entdeckt,  der bei den Kämpfen um Lübeck gefallen ist:  LEFORT Nicolas fils de Jacques et de Catherine THAY né le ………… à LYON tué le 06/11/1806 à la prise de Lübeck voltigeur au 8e régiment d’infanterie de ligne (No M 490/2C) E-C 1807 R. Barreau Nicolas Lefort Sohn von Jacques und Catherine Thay ………… in Lyon geboren. Gestorben am 6. November 1806 bei der Einnahme Lübecks als Voltigeur des 8. Infanterie-Linienregiments. (Nr. M 490/2C ) E -1807 R. C Bar

Einzug der Napoleonischen Truppen am 6. November 1806 -Wandgemälde im Treppenhaus des Kreisauer Schlosses, S. Lipinsky, 1900 © bei Museum in Grudziaz. Quelle:: http://www.willisch.eu/01_KreisauBilder.html

General Blücher konnte mit knapp 9.000 Mann seiner ausgemergelten Armee durch das Holstentor die Flucht entkommen.  Scharnhorst,  der schwer verwundet wurde und Yorck,  werden  von den Franzosen mit 5.000 weiteren preußischen und schwedischen Soldaten gefangen genommen.  Der Herzog von Braunschweig-Oels mied jede Teilnahme an den Nahkämpfen,  setzte sich stattdessen mit einem Boot über die Trave ab und schloss sich den Flüchtenden an.

Die Schlacht bei Lübeck Grenadier vor dem Holstentor Die Schlacht bei Lübeck Kapitulationsverhandlungen in RatekauNachdem die Preußen aus Lübeck herausgedrängt wurden,  setzte eine drei- bis viertägige Plünderung und Übergriffe durch die Franzosen auf die Zivilbevölkerung an. Nur mit viel Mühe konnten durch die Marschälle weitere Ausschreitungen unterbunden werden.

General Blücher versuchte auf dem Rückzug nach Travemünde eine letzte Verteidigungsstellung,  zusammen mit den vereinten Schweden von ca. 1.800 Mann ,  aufzubauen.  Jedoch brach der Widerstand bei dem ersten Angriff Bernadottes zusammen.

Die Verluste der Preußen und Schweden sollen sich auf 2.000 Mann belaufen haben,  während die französischen Verluste,  nach dem Bericht Bernadottes,  nur gering ausfielen.

Hier ein Augenzeugenbericht vom Caporal Charles Vanesse über die Geschehnisse  in Lübeck. Vanesse diente im 1. Bataillon der 8ème de Ligne. Er schrieb am 12. November aus Travemünde, also 6 Tage nach der Schlacht einen Brief an seine Eltern:

„Travemünde, 12. November 1806.

Meine lieben Eltern,

In dem Wunsch, Euch so viel wie möglich mitzuteilen, beeile ich mich, den heutigen Aufenthalt in dieser Stadt zu nutzen, um Euch den vorliegenden Brief zu schreiben, und obwohl ich keinen Augenblick für mich habe, möchte ich Euch doch einen kurzen Bericht über die Siege geben, die wir seit unserem Eintritt in den Feldzug gegen den Feind errungen haben. Wir hatten bereits die Stadt Halle erreicht, ohne auf den Feind gestoßen zu sein. In dieser Stadt hatten sich die Preußen jedoch in großer Zahl am Eingang versammelt und verteidigten den Zugang auf der Brücke, die über den Fluss führt, dessen Namen ich nicht mehr weiß. Zwei Divisionen erhielten den Befehl, den Feind anzugreifen und zum Rückzug zu zwingen, was auch prompt geschah, so dass der Feind nach einer Viertelstunde mit beträchtlichen Verlusten aufgerieben wurde. Sie wurden zwei Meilen weit verfolgt, mit Bajonetten im Rücken. Unser Regiment hatte in dieser Angelegenheit nur 3 Gefallene und 20 Verwundete zu beklagen.

Am nächsten Tag machte sich das Korps auf die Verfolgung des Feindes, den es gerne angegriffen hätte, aber vergeblich, sie rannten mit voller Geschwindigkeit davon und wir erwischten nur die wenigsten fähigen. Einige Tage später legte der Rest der sächsischen Armee die Waffen nieder und marschierte vor dem Korps des Prinzen Bernadotte. Auf meiner Reise glaubte ich mehr Vergnügen zu erleben als auf dem letzten Feldzug, d.h. ich hoffte, nach Berlin zu kommen, da ich im letzten Jahr nicht nach Wien gegangen war. Wir waren immer dem Weg nach Brandenburg gefolgt, und ich zweifelte nicht mehr daran, dass ich der Hauptstadt einen Besuch abstatten würde. Was diese letzte Stadt betrifft, so verließen wir die Straße und ließen Berlin auf der rechten Seite liegen. Ich fuhr auch nicht durch Magdeburg oder Potsdam. Ich wurde nach Defseau [Dessau] verwiesen, bei dem wir die Elbe überquerten.

Wir marschierten noch etwa acht Tage lang, ohne den Feind zu sehen und so ruhig wie im Innern Frankreichs, als wir in Brandenburg den Befehl erhielten, doppelt so viel zu marschieren, d.h. von 6 Uhr morgens bis 10 Uhr abends, bis wir auf den Feind trafen. Aber nach drei Tagen Gewaltmarsch beobachteten wir ihre Nachhut, die sich ein kleines Gefecht mit unserer Vorhut lieferte, aber ohne Kampfeslust und hauptsächlich, um ihrer Armee Zeit zu geben, sich zurückzuziehen, was uns veranlasste, die Kräfte zu verdoppeln, um auf sie zu warten (allerdings vergeblich), wobei wir immer nur einige Abteilungen Kavallerie wahrnahmen, die ihren Rückzug unterstützten. Erst am 6. November, etwa zwei Meilen vor der Stadt Lübeck, nahm unser Korps mindestens 300 preußische Gepäckwagen mit einigen Gefangenen, die sich freiwillig ergaben, gefangen. Dann bewegten wir uns auf die Stadt zu, wo unsere Vorhut bereits unter Beschuss stand. Bald war die Angelegenheit verwickelt, der Feind hielt uneinnehmbare Schanzen, und es war notwendig, dass die Franzosen sie beseitigten. Zwanzig Geschütze verteidigten ein Tor, das bereits durch eine kleine Mauer und durch die Wälle befestigt war und über das diese Geschütze unsere Division beschossen, die diesen Punkt durchbrechen sollte. Unser Regiment war eines der ersten, das diese Angriffsschanzen überwand.

Als wir in die Stadt eindrangen, verteidigte sich der Feind mit aller Kraft. Die Häuser waren überfüllt und es hagelte Kugeln. Nichts konnte die Tapferkeit unserer Soldaten aufhalten: In vier Stunden war die Stadt eingenommen. Nie war der Mut größer, alles Schreckliche des Todes schien sie zu beseelen. Welch ein Schauspiel, die Straßen der Stadt mit Leichen, Toten und Sterbenden bedeckt zu sehen, Ströme von Blut überfluteten die Straßen. Der Feind hatte unzählige Tote und Verwundete zu beklagen, dazu eine ungeheure Anzahl von Gefangenen und die gesamte Artillerie, die er zurückgelassen hatte. Die Verluste unseres Regiments beliefen sich auf 3 getötete Offiziere, 9 Verwundete, 60 getötete Unteroffiziere und Soldaten, 140 Verwundete und keine Gefangenen. Am nächsten Tag nahmen wir die Verfolgung des Feindes auf, aber nach einer Stunde Marsch meldeten sich einige Abgeordnete, und der Rest der Armee wurde aufgefordert, zu kapitulieren.

Dem stimmten die Marschälle Bernadotte, Murat und Soult zu, die sich zusammenschlossen. Ungefähr 4.000 Infanteristen, Kavalleristen und die gesamte Artillerie legten ihre Waffen nieder und ergaben sich. Das ist das Ergebnis dieser Affäre. Man betrachtet den Krieg mit Preußen als beendet, aber wir sind in der Ungewissheit, ob wir einquartiert werden oder ob wir unseren Marsch auf Polen fortsetzen, wo der Kaiser beabsichtigt, den Russen entgegen zu marschieren. Wenn das der Fall ist, werden wir in Schwierigkeiten geraten und in der Falle sitzen!

Der Feldzug war, wie Sie sich vorstellen können,  sehr anstrengend, da wir Sachsen, Preußen und die angrenzenden Länder durchquert und mehrere Siege errungen haben, das Ganze in vierzig Tagen. Es war gar nicht so einfach, eine gute Mahlzeit zuzubereiten. In Anbetracht der Geschwindigkeit unseres Marsches waren wir sehr knapp an Lebensmitteln, weil uns nichts folgen konnte und die Truppen sich nur von dem ernährten, was sie den Bauern oder Städtern abnahmen. Bedenken Sie auch, welche Zerstörungen sie anrichteten: Plünderungen, Diebstähle, Brandstiftungen, alles war auf dem Höhepunkt, und überall, wo wir hinkamen, blieb den Einwohnern nichts anderes übrig, als zu weinen. Es ist eine entsetzliche Sache, man kann nicht darüber nachdenken, ohne zu erschaudern. Die Generäle, die Zeuge dieses Aufruhrs waren, schienen ihn durch ihr Schweigen zu billigen. Außergewöhnlich ist, dass es auf unserer gesamten Strecke nicht geregnet hat, sondern immer sehr gutes Wetter herrschte. Man muss glauben, dass das Höchste Wesen die französischen Armeen beschützt hat.

Sobald es eine weitere Entscheidung gibt, entweder zu lagern oder den Krieg fortzusetzen, werde ich Sie informieren. Ich hoffe, dass Sie alle bei guter Gesundheit sind; was mich betrifft, bin ich noch bei guter Gesundheit. Leben Sie wohl, leben Sie wohl, Sie können sich glücklich schätzen, dass Sie nicht von den Militärbehörden beschäftigt werden.

Unterwegs habe ich Jaspart jeden Tag getroffen. Ihm geht es gut, und Kocks auch.

Ich schreibe dies in großer Eile. Lebt wohl.

Ch.-J. VANESSE“

Blüchers weitere Flucht über Schwartau nach Ratekau war jedoch aussichtslos,  da in Travemünde nach der Flucht der Schweden keine Schiffe mehr verfügbar waren. In Stockelsdorf verwehrten ihm starke dänische Verbände bereits den Weg auf neutrales dänisches Gebiet, und zu weiteren Gefechten waren die Überreste seiner Truppen nicht mehr in der Lage.  In Ratekau war ein heilloses Durcheinander.  Alles Eßbare wurde sofort beschlagnahmt. Die Kirche wurde aufgebrochen und als Pferdestall benutzt.

Französische Artillerie war bereits beim Riesebusch in Stellung gegangen.  Dennoch widersetzte sich Blücher der von Bernadotte angebotenen Kapitulation mehrmals.  Erst als Bernadotte versprach,  eine Ehrerbietung vor den Preußen zu nehmen nach erfolgter Kapitulation, unterzeichnete Blücher die Kapitulationsurkunde an der späteren Blüchereiche.  Mit ihm gingen noch 8.000 Mann in Gefangenschaft.  Der Krieg gegen Preußen war damit aber noch nicht beendet. Nach schweren Kämpfen und der zugunsten der Franzosen entschiedenen Schlacht bei Friedland am 14. Juni 1807,  bei der sich das 8. Regiment d´Ligne wiederum auszeichnete,  wurde in Tilsit Frieden geschlossen.

Der Rückzug nach Lübeck machte Blücher zu einer Legende in ganz Deutschland und Europa.  Für Lübeck hingegen begann die Franzosenzeit, die bis 1813 andauerte.

Unsere Gruppe hat diese Geschehnisse in Lübeck und Ratekau zum Anlass genommen,  erstmals im November 2006,  also nach genau 200 Jahren,  daran zu erinnern.

Mit einem Aufgebot von ca. 150 Mann wurde die Kapitulation Blüchers damals nachgestellt. Bitte schauen Sie sich in diesem Zusammenhang unsere Galerie Ratekau-Lübeck 2006 an,  um sich einen Eindruck zu verschaffen.  Der unten abgebildete Gedenkstein wurde von der Gemeinde Ratekau mit dem Regimentsadler des 8. Regiments d´Ligne vervollständigt.

In Abständen von 2 bzw. 5 Jahren werden an diese Ereignisse erinnert. Bitte schauen Sie in regelmässigen Abständen den Bereich Termine / Informationen dazu an.

Quelle:  Roger Parkinson (Blücher), 1975, Siegfried Fiedler (Napoleon gegen Preussen,  Adolphe Thiers (Geschichte des Konsulats und Kaiserreichs, 23. Teil), 1847, Carl Bleibtreu (Die große Armee, Band I), 1906.

Weiter geht es hier Lübeck in der Franzosenzeit 1806-1813

Die Schlacht bei Lübeck - Gedenkstein

8ème Régiment de Ligne – Toujours en avant! (Immer vorwärts!)